Zum Jubiläum bleibt der Kulturkessel kalt

Trostberger Tagblatt vom 09.02.2021

 

An Ideen für Veranstaltungen zum 25-Jährigen mangelt es den „Köchen“ des Vereins nicht

„Aufgehoben ist nicht aufgeschoben. Alle Künstler, deren Veranstaltung im vergangenen Quartal abgesagt werden musste, werden ihr Programm nachholen, wenn es wieder möglich ist“, versprechen Vorsitzende Ulrike Brunnlechner sowie Schriftführer und Kassier Anton Zeitlmayr, die Motoren des Kulturkessels. Einen besonderen Akzent setzen soll dann die Hommage an Klangkünstlerin Limpe Fuchs.

Reichhaltig und abwechslungsreich war die Menükarte des Kulturkessels in den vergangenen Jahren. Begonnen hat alles mit einem Zufall. Die ersten vorsichtigen Kochversuche zum Kulturkessel wurden 1995 in der SKW-Kantine unternommen. Eine Arbeitsgruppe aus dem Chemiewerk wollte im Kollegenkreis das Miteinander stärken und den gemeinsamen Besuch kultureller Veranstaltungen fördern und organisieren. Man nehme einen besonderen Film, viele Kinofreaks und das Kino – so die Rezeptvorlage.

Nicht mehr nach München oder Salzburg ins Kino

Weil exotische oder anspruchsvolle Filmkost damals nur in Salzburg oder München zu bekommen war, entstand der Gedanke, diese Filme vor Ort anzubieten. Anton Zeitlmayr, damals in der Personalstelle tätig und privat in einem Filmclub, wurde als der richtige Mann für die Auswahl des Angebotes auserkoren. Weil der Arbeitskreis nicht ein eigenes Süppchen kochen wollte, beschloss die Arbeitsgruppe, einen Verein zu gründen, bei dem jedes Mitglied einmal Koch sein darf. Man einigte sich auf den Vereinsnamen „Kulturkessel“.

Ansinnen war es, sich eigenständig um ein besonderes Kulturangebot in der Stadt zu bemühen. Mit dem damaligen Kinobetreiber wurde ein Vertrag geschlossen, der sicherstellte, dass es einmal im Monat einen besonders wertvollen Film zu sehen gibt. „Das Versprechen“ war nicht nur der erste Film, der gezeigt wurde, sondern auch ein buchstäblich gemeintes Versprechen um das Besondere, das bis heute gilt. Der Kulturkessel kam auf Temperatur und brachte das Stück „Der Tisch“ in der Aula der Hauptschule Trostberg auf denselbigen. Das absurd-sinnliche Duo des Theaterhofes Priessenthal war für das neungängige Menü zuständig.

2012 kam „Jazz im Kino“ dazu

Im März 2012 startete die Konzertreihe „Jazz im Kino“ mit dem Quartett Villu Veski, Paul Zauner, Wolfram Derschmidt und Tiit Kalluste sowie Stargast Mansur Scott, als Jazzbürgermeister aus Harlem/New York bekannt. „Die Reihe trägt sich mittlerweile von selbst“, freut sich Ulrike Brunnlechner. Beeindruckende Musiker traten in diesem Rahmen schon auf und können fast schon dem Burghauser Jazzfestival Konkurrenz machen. Internationale Künstler wie der Vokalakrobatiker Dwight Trible, Jazzkomponist Henning Sieverts, Saxofonist Lutz Häfner, Pianist Maruan Sakas, Café Caravan, Jasmin Bayer & Band und Jazztrompeter Mario Rom kamen ebenso wie die heimische Jazzszene mit Robby Siemens und der Cappucino-Band, Julia Fehenberger, Heli Punzenberger, Veronika Zunhammer und Michael Vochezer. Alle bringen sie nicht nur den Gruß aus der Küche, sondern kulturelle Schmankerl.

Auf der Speisekarte des Kulturkessels standen von Beginn an Musik, Theater und Ausstellungen. Einige Jahre war der Verein formal als Träger der Veranstaltungen im Postsaal tätig. Als sich die Rahmenbedingungen änderten, arbeitete jeder wieder für sich. Fragt man Ulrike Brunnlechner und Anton Zeitlmayr nach besonderen Leckerbissen, tun sie sich schwer angesichts des umfangreichen Angebots.

Kunstausstellung noch vor der Kunstmeile

Gerne erinnern sie sich an die große Kunstausstellung im Jahr 1998, als es noch keine Kunstmeile gab, an die Lesungen des Trostberger Schreibquartetts, an Ruth Rehmann und Bernhard Setzwein, an die Auftritte des „Symphonischen Ensembles München“ im Postsaal, an die Ausstellungen im Atrium mit Kinderbuchillustrator Bernhard Oberdieck, an den Kalligraphen Rudi Auer und an die literarischen Malereien mit Edith Grill. Aber auch die Stummfilme mit Klavierbegleitung durch Chenny Gan, die Zusammenarbeit mit Regisseur und Produzent Horant H. Hohlfeld, der Besuch des Wagner-Sängers Gerhard Siegl, die Filmaufführung „Heimat“ von Franz Xaver Kroetz und die Weihnachtskonzerte in Zusammenarbeit mit Paul Zauner, der immer wieder Künstler aus aller Welt mitbringt, kamen bei den Besuchern bestens an.

Einige Jahre war das Trostberger Kino geschlossen, so dass keine besonderen Filme gezeigt werden konnten. Doch als Christoph Loster das Kino vor zehn Jahren wieder öffnete (wir berichteten), hatte der Kulturkessel erneut eine Lokalität für seine hochwertigen kulturellen Veranstaltungen.

Oper lockte schon 9000 Besucher ins Kino

So begann 2011 die monatliche Reihe „Oper im Kino“. Dass diese bis Februar 2020 etwa 9000 Besucher anlockte, freut Ulrike Brunnlechner. „Das ist eine Erfolgsgeschichte, die sich sehen lassen kann.“ Anton Zeitlmayr ergänzt: „Es ist uns gelungen, einen festen Besucherstamm zu erarbeiten, der auch aus dem weiteren Umfeld von Rosenheim bis Waldkraiburg zu uns kommt.“ Dabei werden entweder gefilmte Opernaufführungen oder Opernfilme gezeigt. Hermann Brunnlechner gibt jeweils zu Beginn der Veranstaltung eine kurze Einführung.

Mit den beiden Standbeinen der Opernfilme und der Jazzmatinéen hat der Kulturkessel Zutaten im Korb, die jeden ansprechen, der sich darauf einlässt. Sobald es wieder möglich ist, soll auch die Aktion mit Kinogutscheinen für Kinder aus sozial schwachen Familien weitergeführt werden.

Erinnerung an die Tücken des analogen Zeitalters

Beim Rückblick erinnert sich Anton Zeitlmayr an den Besuch von Regisseur Wolf Gaudlitz („Taxi Lissboa“). „Damals im analogen Zeitalter mit 35-Millimeter Film kam die Kopie des Filmes mit reichlich Verspätung aus Bad Endorf an. Der Vorführer musste die fünf einzelnen Akte montieren, umspulen und einlegen: Dauer eine dreiviertel Stunde. Derweil unterhielt Wolf Gaudlitz die Besucher. Und als der Film endlich begann, fand er dem ersten Akt ein jähes Ende, weil die einzelnen Spulen in der falschen Reihenfolge angeliefert und montiert wurden. Eine weitere Verzögerung mit vielen unterhaltsamen Erzählungen folgte, bevor der Film in der richtigen Reihenfolge abgespielt werden konnte.“

Mit dieser Vielfalt haben es die Kulturkessel-Köche geschafft, exquisten Gaumenschmaus anzubieten, den sich jeder leisten kann. So brodelt es im großen Kulturkessel weiter, und es warten viele Ideen darauf, umgesetzt zu werden. − cl